19 November 2019
Aktualisiert: 7 Januar 2020

Digitale Transformation in der Fertigungsindustrie: Ohne Vertrieb 4.0 kein Erfolg mit Industrie 4.0

Vernetzte, digitale Technologien sorgen für weitreichenden Veränderungen in unserer Gesellschaft. Der digitale Wandel ist in allen Bereichen unseres Lebens spürbar und stellt uns im Alltag vor bisher nicht dagewesene Herausforderungen. Gerade in der Fertigungsindustrie zeigt sich der Umbruch besonders deutlich. Hier entwickeln sich herkömmliche Produktionsstätten zu intelligenten Fabriken, in denen Maschinen eigenständig miteinander kommunizieren. 

Der technologische Fortschritt erleichtert und beschleunigt die Produktion dabei erheblich. Industrie 4.0 steht deshalb ganz oben auf der Agenda von Politik und Unternehmen. Schon 2015 sagte Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos dazu Folgendes: „Wir müssen vor allen Dingen die Verschmelzung der Welt des Internets mit der Welt der industriellen Produktion – wir nennen das in Deutschland Industrie 4.0 – schnell bewältigen, weil sonst diejenigen, die führend im digitalen Bereich sind, uns die industrielle Produktion wegnehmen werden.“

Oft wird beim Begriff Digitalisierung in der fertigungsindustrie lediglich an die tatsächliche Herstellung der Produkte und deren Kombination mit weiterführenden Dienstleistungen gedacht. Doch das greift zu kurz. Denn sobald ein Bereich Fortschritte in der Digitalisierung macht, müssen auch die anderen mitziehen. Sie vollzieht sich wie eine Kettenreaktion, die sich nicht aufhalten lässt. Und wer nicht bereit für den digitalen Wandel ist, wird abgehängt.

Wo steht Deutschland in Sachen Digitalisierung?

In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ erklärte Siemens-Chef Joe Kaeser im Jahr 2015: „Industrie 4.0 ist eine Revolution, die die 2020er-Jahre bestimmen wird. Sie wird ganze Geschäftsmodelle und die Industrie weltweit verändern.“ (Zitiert auf manager magazin). Keine drei Jahre später beklagte Angela Merkel in Davos, dass Deutschland im europäischen Vergleich deutlich hinterherhinkt, wenn es um den Fortschritt der Digitalisierung geht. Deutschland müsse aufpassen, bei diesem Thema nicht abgehängt zu werden, sowie den Wandel zur Industrie 4.0 meistern. Vor allem viele mittelständische und kleine Unternehmen fragen sich, ob es sich lohnt, und zögern daher, das gesamte Unternehmen digital im Sinne von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge (IoT) umzubauen. 

In nicht einmal zwei Monaten blättern wir den Kalender um und starten in das neue Jahrzehnt, dass noch stärker von digitalen Prozessen geprägt sein wird als das jetzige. Die Fertigungsindustrie ist sich den Aufgaben, die es zu lösen gilt, durchaus bewusst ist. Laut des „Digitalisierungsindex Mittelstand 2019/2020 der Telekom“ haben Mittelständler – und gerne werden mittelständische Unternehmen eher die Schlusslichter in Sachen Digitalisierung gesehen – erkannt, dass sich der digitale Wandel lohnt. Viele Unternehmen arbeiten an der Umsetzung einer übergreifenden Digitalisierungsstrategie, um wichtige Themen wie die kürzeren Innovationszyklen und die zunehmende Automatisierung sowie neue Regulierungen zu erfüllen. 

Technologische Aspekte wie IoT, 3D Druck, Cyber Security oder KI stehen dabei natürlich ganz vorne auf der Agenda. Doch auch der Fachkräftemangel und der Umgang mit Kunden sind Themen. die die Fertigungsindustrie betreffen. Denn, um in der heutigen Welt zu bestehen, brauchen Unternehmen nicht nur funktionierende Technik, sondern auch Menschen mit Know-how, die zum einen mit den Maschinen interagieren und zum anderen die hergestellten Produkte an die immer anspruchsvollere Kundschaft verkaufen können. Denn bleiben am Ende die Kunden aus, sind jegliche Digitalisierungsinitiativen hinfällig.

Die Digitalisierung stellt auch den Vertrieb vor neue Herausforderungen

Die Veränderung der Kundenbedürfnisse ist laut „Future Readiness Index“ von KPMG eine große Herausforderung. Auch wenn sich die Studienteilnehmer bei der Bedienung der Kundenbedürfnisse weiterhin gut aufgestellt sehen, bringt die Digitalisierung neue Herausforderungen mit sich. Innovative Herstellungsprozesse, durch die neuartige Produkte entstehen, und die Digitalisierung im Allgemeinen verändern auch die Erwartungshaltung der Kunden. Hier ist dann der Vertrieb gefragt, den Kunden abzuholen, ihm die Vorteile der Produkte zu vermitteln und ihm ein positives Kauferlebnis zu bieten. Doch leider greifen die Digitalisierungsinitiativen an dieser Stelle häufig zu kurz und innovative Prozesse sind im Vertrieb eher eine Seltenheit. Kein gutes Omen, bedenkt man, dass die Vertriebsmitarbeiter im direkten Kontakt zum Kunden stehen und damit das Aushängeschild eines Unternehmens darstellen.

Im digitalen Zeitalter steht somit auch der Vertriebler vor neuen Herausforderungen, denn sein komplettes Handlungsgebiet unterzieht sich einem Wandel. Diese Veränderungen – bei Produkten, Dienstleistungen, Abläufen – muss er nicht nur verstehen, er muss auch in der Lage sein, sie einem Kunden gegenüber zu erklären und zu verkaufen. Der digitale Kunde ist ebenfalls ein anderer als noch vor einigen Jahren. Zu den größten Herausforderungen für Vertriebler zählen daher die Komplexität und Produktvielfalt, wie etwa durch veränderte Geschäftsmodelle wie die Servitization, sowie der Anstieg der involvierten Stakeholder bei Kaufentscheidungen und die sich ändernden Erwartungen der Kunden. Sie alle haben Auswirkungen darauf, wie Verkäufer verkaufen.

Komplexität und Produktvielfalt

Egal, ob es ein neuer Kühlschrank oder ein neues Auto sein soll, ein Besuch beim Händler zeigt schnell, dass wir die Qual der Wahl haben. Die Produktvielfalt ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Das ist auch für Käufer in der Fertigungsindustrie der Fall. Die Produktportfolios für Komponenten von Autos, Kühlschränken, verpackten Gütern oder ähnlichem variieren in der Regel erheblich. Das macht es schwierig, das Angebot einzugrenzen. Die Herausforderung für den Käufer, sich in dieser Vielfalt zu orientieren, wird durch häufig wechselnde Produktreihen weiter erschwert. Die Technologie ermöglicht es Unternehmen zudem, immer komplexere Produkte zu entwickeln.

Diese Produktkomplexität und -vielfalt wird durch den zunehmenden Trend der Servitization noch verstärkt. Servitization bezeichnet eine Geschäftsmodellinnovation, bei der ein Hersteller sein Produktportfolio von reinen Sachgütern um Dienstleistungen erweitert. In den letzten Jahren haben sich diese Dienste von einfachen Reparatur- und Wartungs-Services zu komplexen, softwarebasierten Management-Suiten ausgeweitet. Durch Sensoren können Unternehmen beispielsweise erkennen, wann Industrieanlagen unter Verschleiß leiden und fehlerhafte Komponenten reparieren oder ersetzen, bevor sie sich zu einem ernsthaften Problem entwickeln. Durch die Verlagerung vom reinen Verkauf des Produktes zu einem lösungsbasierten, mehrjährigen Geschäftsmodell ergeben sich für Hersteller höhere Gewinn- und Umsatzchancen. Das alles stellt den Vertrieb vor die anspruchsvolle Aufgabe, den Überblick über die Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen zu behalten und dem Kunden das richtige Angebot zu unterbreiten und ihn letztlich vom Kauf zu überzeugen.

Mehr involvierte Stakeholder bei der Kaufentscheidung

Neben der steigenden Komplexität und größeren Vielfalt von Produkten und Dienstleistungen ist auch der Kauf an sich komplexer geworden. Laut CSO Insights sind derzeit durchschnittlich 6,4 Personen an jeder wichtigen Kaufentscheidung beteiligt. Diese Stakeholder haben zudem unterschiedliche Positionen inne. So ist es möglich, dass ein Vertriebler gleichzeitig an die tatsächlichen Nutzer des Produkts und Personen in der Geschäftsleitung, Finanzabteilung oder dem Einkauf verkauft. Keine leichte Aufgabe, denn alle Stakeholder haben unterschiedliche Erwartungen an das Produkt, den Preis und den Nutzen für den Betrieb an sich. 

Das beste Kundenerlebnis gewinnt

Auch wenn das Kauferlebnis schon immer wichtig war, hat das Internet in kürzester Zeit viele Aspekte intensiviert. Durch die digitale Transformation ist es möglich, ganz komfortabel von zu Hause oder der Arbeit aus über ein paar Klicks einzukaufen. Besonders für kostengünstigere Produkte ist das bereits der Standard. Wenn es jedoch um teurere Anschaffungen geht, nehmen sich Kunden,vor allem im B2B-Umfeld, weiterhin deutlich mehr Zeit. So erwarten 66 Prozent der Käufer bei einer Anschaffung unter 5.000 Euro eine Recherche von weniger als 5 Stunden, während 25 Prozent derjenigen, die eine Anschaffung über 100.000 Euro oder mehr planen, mit mindestens 40 Stunden Recherchezeit rechnen.

Eine gutes Kauferlebnis ist somit bei höherpreisigen B2B-Produkten ausschlaggebend. Laut Salesforce geben 80 Prozent der Käufer an, dass die Erfahrung, die sie mit einem Unternehmen machen, genauso wichtig ist wie seine Produkte und Dienstleistungen. In einem Markt wie der Fertigungsindustrie könnte das Kauferlebnis somit möglicherweise das einzige Alleinstellungsmerkmal sein, das ein Unternehmen von einem anderen unterscheidet. In einer aktuellen Befragung von Showpad geben 70 Prozent der B2B-Käufer an, dass sie immer noch mit einem Vertriebsmitarbeiter in Kontakt treten wollen und 38 Prozent geben zu, dass die Informationsbeschaffung mit einem Verkäufer an der Seite besser gelingt als ihre alleinige Recherche.

Trotzdem müssen Vertriebler darauf eingestellt sein, dass ein Käufer noch vor dem ersten Kontakt bereits in großem Umfang eigenständig recherchiert hat. Laut Forrester bewegen sich 62 Prozent der B2B-Einkäufer ausschließlich durch die Verfügbarkeit von digitalen Informationen von selbst ein gutes Stück durch den Verkaufstrichter. In der heutigen Zeit ist es leicht, nützliche Informationen online zu finden, Produkte und Dienstleistungen zu vergleichen und sich von unabhängigen Beratern oder Branchenanalysten Empfehlungen einzuholen, ohne dabei überhaupt auf dem Radar eines Anbieters aufzutauchen.

Wie kann der Vertrieb hier noch mithalten?

Die digitale Revolution ist bereits in vollem Gange und wird Unternehmen in den 2020er Jahren keine Atempause gönnen. Der einzige Weg, den produzierende Unternehmen einschlagen können, ist der in Richtung Industrie 4.0. Wer daran immer noch zweifelt und nicht alle Uhren auf digitalen Wandel stellt, wird auf der Strecke bleiben. Ein ganzheitlicher Ansatz muss her, der alle Abteilungen miteinschließt. Da der Vertrieb ein essentieller Bereich für Unternehmen in der Fertigungsindustrie ist, sollten die Initiativen zur Digitalisierung auch hier konsequent und schnell umgesetzt werden, denn durch die kürzeren Innovationszyklen, eine größere Produktvielfalt und die Verschmelzung von Mensch und Maschine, Produkt und Dienstleistung oder Internet und Produktion, kann der Vertrieb leicht den Überblick verlieren. Es ist also höchste Zeit, dem Vertrieb die nötige Unterstützung zu bieten, denn ohne Vertrieb 4.0 wird Industrie 4.0 kein Erfolg. Dies gelingt nur, wenn auch der Vertrieb digitalisiert wird. 

Im folgenden Blogpost zeigen wir, wie an dieser Stelle Sales Enablement als Vertriebsturbo in der Digitalisierung des Vertriebs in der Fertigungsindustrie eingesetzt werden kann.